Reproduktionsärzte klären nicht hinreichend auf

 

Reproduktionsärzte klären nicht hinreichend auf

 

Andauernder Misserfolge aber kein Ende

Die Mehrzahl aller Paare die sich in einer reproduktionsmedizinischen Behandlung befinden, werden nicht richtig oder nur unzureichend über die relevanten Aspekte der Behandlung aufgeklärt. Wenn diese Paare zudem vom Wunsch nach einem Kind überwältigt sind, verlieren sie oft die Kontrolle über die Behandlungssituation. Viele Paare wagen sich sogar nicht, eine erfolglose Therapie abzubrechen.

 

Die angeführten Ergebnisse und Erkenntnisse entspringen eine Studie der Bochumer Nachwuchsgruppe „Gerechtigkeit in der modernen Medizin“ (geleitet von Dr. Oliver Rauprich) des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum (Institutsleitung: Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann). Sowohl die Studie, als auch die Nachwuchsgruppe selbst werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (kurz:BMBF) gefördert. Im Rahmen der Studie hat die Nachwuchsgruppe betroffene Paare und Experten befragt und die zentralen Ergebnisse in einer der führenden Fachzeitschrift „Human Reproduction“ publiziert.

Verbindliche Checklisten sind unerlässlich

In der Befragung, die sich an über 1.500 Patienten, 230 Reproduktionsmediziner sowie 66 Psychosoziale Berater richtete, wurde deutlich, dass Reproduktionsmediziner ihre Patienten wesentlich intensiver und ausführlicher über die Erfolgschancen sowie die unmittelbaren körperlichen Risiken künstlicher Befruchtungen aufklären, als über mögliche und oftmals zu erwartende Risiken und Belastungen vor dem Hintergrund von Mehrlingsschwangerschaften oder den emotionalen Risiken und Belastungen künstlicher Befruchtungen. „Diese Informationen sind jedoch für eine gute, patientenzentrierte Kinderwunschbehandlung unerlässlich“, erklärt Dr. Oliver Rauprich, Leiter der Nachwuchsgruppe. Herr Dr. Rauprich selbst plädiert aus diesem Grund für die Erstellung und Einführung von für alle Reproduktionsmediziner verbindlichen Checklisten, mit denen die Qualität der Patientenaufklärung in der Reproduktionsmedizin erheblich verbessert und kontrolliert werden kann.

Bei ausgeprägtem Kinderwunsch werden alle anderen Lebensziele in den Hintergrund gestellt

Obwohl eine Vielzahl der behandelten Paare die Therapie vor allem emotional als äußerst belastend erlebt, fällt es vielen schwer, im Falle eines oder mehrerer Misserfolg die Behandlung zu beenden. Dreiviertel der Befragten gaben in den Erhebungen der Studie an, dass ein ausgeprägter Kinderwunsch vorliegt, der andere Lebensziele in den Hintergrund stellt. Jeder Zweite hatte sogar das Gefühl, die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Nach Angaben der Experten ist die Fähigkeit der Patienten, die Beendigung einer Behandlung mit geringer Erfolgsaussicht selbst herbeizuführen häufig eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Zudem würden die Reproduktionsmediziner die Behandlung von sich aus in der Mehrzahl der Fällen nicht beenden.

Eine rechtzeitige Ausstiegstrategie hilft vor falschen Erwartungen

Vor dem beschriebenen Hintergrund sollte nach Ansicht der Autoren der Studie eine Strategie zur Beendigung der Behandlung bei Erfolglosigkeit ein integraler Bestandteil jeder ärztlichen Betreuung im Rahmen einer reprodukionsmedizinischen Behandlung sein. Betroffene Paare müssen frühzeitig und regelmäßigt auf Probleme unrealistischer Erwartungen, überwältigender Kinderwünsche oder drohenden Kontrollverluste aufmerksam gemacht werden. Dabei gilt: Festgeschriebene Kriterien für Kontraindikationen, Auszeiten und Beendigungen der Behandlung müssen gemeinsam abgestimmt und vereinbart werden. Auf diese Weise kann unter Umständen vermieden werden, dass emotional belastende und mit weitreichenden Risiken behaftete Behandlungen trotz mäßiger Erfolgsaussicht durchgeführt werden. Nicht zuletzt sollten alle Kinderwunschpaare die Möglichkeit erhalten, auf Kosten der Kassen eine unabhängige psychosoziale Beratung in Anspruch zu nehmen.

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